Montag, 25. Mai 2009

Gaëls Sturm

Gaël Roth arbeitet zusammen mit Mira Voigt an einer Adaption von "Der Sturm" von William Shakespeare. In den beiden Beiträgen "Gaëls Sturm" und "Miras Sturm" finden sich schriftliche respektive bildliche Arbeiten bzw. Entwürfe hierzu:

Südsee. Genauer Ort und Zeit spielen keine Rolle. Sanftes Meer. Strahlende Mittagssonne. Ein Segelschiff (alt, mindestens aus der Renaissance) durchpflügt friedlich die Fluten.
SCHNITT.
Ein menschenähnliches Wesen fliegt durch die Lüfte. Das ist ARIEL. Er trägt in seinen Armen eine Atombombe. Ariels POV: Ganz weit unter ihm das Segelschiff, nichts ahnend. Ariel lässt die Atombombe fallen und macht sich schleunigst aus dem Staub; sich die Ohren zuhaltend.
SCHNITT.
Ein riesiger Atompilz steigt in den Himmel empor.
SCHNITT.
Menschen fliegen durch die Luft. FERDINAND und ALONSO werden getrennt. Ferdinand schreit: “Papa!” Alonso: “Ferdinand!”
SCHNITT.
Auf einer Insel in der Umgebung. In der Ferne der Atompilz. An einem einsamen Strand ein alter Mann. Knochig, sehnig und dürr. Das ist PROSPERO. Weise und mild hat er trotzdem etwas Furchterregendes. Seine blauen Augen vielleicht. Pospero macht gerade seine allmittäglichen Tai-Chi-Übungen und lässt sich von der Atombombe in keinster Weise aus der Ruhe bringen. Da kommt seine Tochter MIRANDA (14-jährig, pubertierend, rockig/punkig) den Strand entlang auf ihn zugerannt. “Papa, was hast du mit deiner Atombombe gemacht? Ich sah das Schiff zerschmettert und Menschen zerrissen werden.” - Prospero, immer noch in seine Tai-Chi-Übungen vertieft: “Magst du dich noch daran erinnern wie wir hierher kamen?” - “Da waren Menschen auf diesem Schiff!” - “An die Zeit bevor wir hierher kamen?” - “Oh, ich litt mit ihnen / Die ich so leiden sah.” - “Beruhige dich. Es ist ihnen kein Leid zugestossen.”
SCHNNITT.
Die einzelnen Menschen vom Schiff landen in den Baumkronen von Palmen, werden beim Aufprall bewusstlos geschlagen und bleiben so liegen.
SCHNITT.
Prospero zu Miranda: “Ich versprech es dir. Und jetzt sag, magst du dich daran erinnern?” - Miranda: “Nur vage.” - “Das ist vielleicht auch besser so.” Prospero bricht seine Übungen ab und fängt an, sich mit einem Badetuch den Schweiss abzutrocknen. “Miranda, es ist Zeit, dass du die ganze Wahrheit über deinen Vater erfährst.”
SCHNITT.
Mirandas Reaktion auf diesen Satz. (Erstaunt? überrascht? erleichtert? der Sache überdrüssig?)
SCHNITT.
“Ich war nämlich Herzog von Mailand und du, meine Tochter, seine einzige Erbin.” - “Ach, Papa. Hör auf phantastische Geschichten zu erzählen. Sag mir lieber, weshalb du jetzt plötzlich die Atombombe gezündet hast.” - “Nein, aber es ist wahr!”
SCHNITT.
Rückblende. Die Stadt Mailand in ihrer ganzen modernen Hässlichkeit (Autos, Stau, Smog und Sozialwohnungen). Mittendrin ein wunderprächtiger Palazzo aus vergangener Zeit und auf dessen Balkon ein gutmütiger Prospero, der seinem jubelndem Volk zuwinkt. Im Hintergrund, klein, dick und hässlich sein Bruder ANTONIO, der ihn argwöhnisch beobachtet.
SCHNITT.
Später, im Palast. Prospero übergibt Antonio die Regierungsgeschäfte. Antonio strahlt wie ein kleiner Junge. Prospero bemerkt es nicht.
SCHNITT.
Immer noch im Palast, aber an einem anderen Ort. Prospero betritt eine riesige Bibliothek (im Barockstil gehalten), schliesst die Tür hinter sich zu, dreht den Schlüssel im Schloss, packt ihn ein und setzt sich an einen Tisch, wo er sich sofort in ein grosses, schweres, altes Buch vertieft und nicht mehr davon aufschaut. Man sieht ihn noch, wie er still da sitzt, allein und ganz klein inmitten dieses überdimensionierten Raumes. Neben ihm auf dem Boden die kleine Miranda, die spielt.
SCHNITT.
Währenddessen sitzt Antonio auf dem Thron und lässt sich bedienen. Mindestens vier Menschen kümmern sich gerade um seine Nägel. Ein bebrillter Minister mit einem Berg Unterlagen tritt an ihn heran. Er versucht Antonio klar zu machen, dass sein Lebensstil den Staat in den Ruin treiben wird. Antonio zu ihm: “Ich mag keine Spielverderber.”
SCHNITT.
Der Minister wird gehängt. Der gesamte Ministerrat, völlig eingeschüchtert, schaut zu.
SCHNITT.
Die Zeit vergeht. Miranda ist gewachsen. Die Stadt zerfällt. Prospero sitzt immer noch in seiner Bibliothek, schaut nicht auf von seinem Buch, bemerkt nichts von all dem, was ausserhalb der Bibliothek passiert.
SCHNITT.
Antonio im Bademantel vor einem Spiegel, die Hosentaschen leer. Pleite. Was nun?
SCHNITT.
Antonio sitzt auf der Bettkante seines Bettes und ruft Alonso, den König von Neapel und Erzfeind Prosperos, an. - “Wer ist da?” tönt es aus dem Hörer. “Antonio!” - “Wer?” - “Prosperos Bruder!” Pause. Dann tönt es wieder aus dem Hörer: “Antonio... Was kann ich für dich tun?” Antonio: “Was würde es mich kosten, wenn du mir ein bisschen Geld leihen würdest?”
SCHNITT.
Die Tür zur Bibliothek wird eingerammt. Soldaten zerren Prospero aus der Bibilothek, einer nimmt Miranda unter den Arm. Sie werden vorbeigeführt an Alonso, seinem Bruder SEBASTIAN, GONZALO (einem älteren Ratsherren Alonsos), und Antonio, der sich im Hintergrund aufhält und möglichst versucht nicht aufzufallen. Prospero sieht ihn und ruft aus: “Antonio! Du!?” Antonio versucht, sich nichts anmerken zu lassen, doch die Scham steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
SCHNITT.
Prospero und Miranda werden auf ein Schiff gebracht.
SCHNITT.
Früher Morgen. Auf offener See. Weit und breit nichts. Ein Offizier macht eine Rettungsinsel klar. Er nimmt alles von der Insel, was das Überleben möglich macht: Wasser, Lebensmittel, Medikamente, Leuchtraketen... Prospero redet auf ihn ein. “So lassen Sie uns doch wenigstens das Wasser. Wir brauchen das Wasser.” - “Ich habe meine Befehle.” Gonzalo kommt, Prosperos Buch in der Hand. “Lassen Sie uns das Wasser, Herr Gonzalo. Wir brauchen das Wasser. Ohne Wasser haben wir keine Chance.” Gonzalo bleibt stehen. Schaut zuerst Prospero an, dann Miranda.
SCHNITT.
Miranda, wie sie mit ihren unschuldigen Bambi-Augen zu Gonzalo hoch schaut.
SCHNITT.
Auf einmal befiehlt Gonzalo dem Offizier alles wieder einzuladen, übergibt Prospero das Buch und verschwindet in seiner Kabine. Der Offizier - murrend - gehorcht.
SCHNITT.
Die Rettungsinsel wird zu Wasser gelassen. Gonzalo in seiner Kabine beobachtet wortlos das Geschehen.
SCHNITT.
Die Rettungsinsel und das Schiff entfernen sich voneinander. Das Schiff ist nur noch knapp am Horizont auszumachen.
SCHNITT.
Wolkenloser Himmel, bratende Mittagssonne. Das Wasser im Boot ist fast alle. Prospero, nunmehr mit langem Bart, hält Miranda in den Armen, wiegt sie und singt ihr ein Lied. Lange. Auf einmal zeigt Miranda mit dem Finger auf etwas. Prospero hebt den Blick und schaut dem Finger nach: es ist Land.
SCHNITT.
Prospero und Miranda steigen von der Rettungsinsel und betreten einen Strand. Ende der Rückblende.
SCHNITT.
Wieder in der Gegenwart. Miranda etwas ungläubig: „Dann bin ich eine Prinzessin?“ […]

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